Pflegeaufwendungen: Betreuung durch unausgebildetes Pflegepersonal trotzdem absetzbar
Von einem pflegebedürftigen Steuerpflichtigen können die Pflegeaufwendungen als außergewöhnliche Belastungen steuerlich geltend gemacht werden. Das gilt laut einem aktuellen Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. Juni 2016, Az. 5 K 2714/15) auch dann, wenn es sich bei den eingesetzten Betreuungskräften nicht um besonders ausgebildetes Pflegefachpersonal handelt.
Die Klägerin in dem vorliegenden Fall, die u.a. unter einer schweren Herzinsuffizienz mit Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, einer Rückenverkrümmung sowie Gelenkarthrosen litt, war seit April 2012 pflegebedürftig und hatte die Pflegestufe II. Laut dem Gutachten des medizinischen Dienstes hatte die Klägerin einen täglichen Hilfsbedarf von 163 Minuten für die Grundpflege und von einer Stunde für die hauswirtschaftliche Versorgung.
Klägerin beschäftigte Betreuerin aus Polen
Da die Klägerin die häusliche Pflege der stationären Heimunterbringung vorzog, beantragte sie keine Pflegesachleistung, sondern das Pflegegeld für selbst beschaffte Pflegedienste gemäß § 37 SGB XI. Für die häusliche Pflege hatte die Klägerin einen Dienstleistungsvertrag mit einer polnischen Firma abgeschlossen, der vorsah, dass eine polnische Betreuungskraft bei der Klägerin einzog und dort 40 Stunden pro Woche arbeitete. Die Betreuungskraft übernahm die hauswirtschaftliche Versorgung (Einkaufen, Kochen, Spülen, Wäsche- und Kleidungswechsel), unterstützte die Klägerin bei alltäglichen Aktivitäten und erbrachte außerdem Teilleistungen im Bereich der Grundpflege.
In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Klägerin Pflegeaufwendungen in Höhe von insgesamt 34.916 Euro steuerlich geltend. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus den Kosten für Betreuungsdienstleistungen der polnischen Firma in Höhe von 28.500 Euro, den Kosten für die Verpflegung der Betreuerin in Höhe von 2.688 Euro sowie den Kosten für die Unfallversicherung für die Pflegekraft in Höhe von 24 Euro. Das Finanzamt erkannte die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen jedoch nicht als außergewöhnliche Belastungen an mit der Begründung, dass es sich bei den beauftragten Betreuungskräften nicht um ausgebildete Pflegefachkräfte bzw. nicht um einen sozialrechtlich anerkannten Pflegedienst gehandelt habe. Die Aufwendungen seien deshalb nur als haushaltsnahe Dienstleistungen mit einem Maximalbetrag in Höhe von 4.000 Euro von der tariflichen Einkommensteuer abziehbar.
Abzugsfähigkeit der Pflegeaufwendungen auch bei ungelernter Betreuungsperson
Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht Baden-Württemberg zumindest teilweise statt. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Klägerin Aufwendungen in Höhe von 15.452 Euro als außergewöhnliche Belastungen absetzen darf. Dazu erklärten die Richter, dass es sich bei den von der Klägerin geltend gemachten Pflegeaufwendungen dem Grunde nach um abzugsfähige Krankheitskosten im Sinne des § 33 EStG handelt, da die für die Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung der Klägerin erbrachten Leistungen dazu dienten, ihre Krankheit erträglicher zu machen.
Allerdings sind die Aufwendungen für die Betreuungskräfte der Höhe nach nur abzugsfähig, soweit sie den angemessenen Anteil, der in dem vorliegenden Fall bei 66,5 % lag, nicht übersteigen, so dass der abzugsfähige Betrag auf 20.732 Euro zu kürzen ist. Von diesem Betrag muss noch das Pflegegeld in Höhe von 5.280 Euro, das die Klägerin von der Pflegekasse erhalten hatte, abgezogen werden, weil außergewöhnliche Belastungen nur insoweit abzugsfähig sind, als der Steuerpflichtige diese Aufwendungen auch selbst tragen musste.
Die Richter sahen auch keinen Grund, die Abzugsfähigkeit der Pflegeaufwendungen bei der Betreuung durch nicht besonders ausgebildetes Pflegefachpersonal einzuschränken. Eine derartige Einschränkung der Abzugsfähigkeit der Pflegeaufwendungen würde sich weder aus § 33 EStG noch aus § 64 EstDV ergeben.
Bildnachweis: © apops – Fotolia.com
Steuererklärung 2017
Alle Informationen auf einen KlickFormulare runterladen
Kampf dem Formular-FrustBenötigen Sie die Formulare als PDF-Version zum Ausfüllen am Computer?
Klicken Sie hier für Links und Hinweise