Wann darf ein bestandskräftiger Kindergeldbescheid nachträglich noch geändert werden?
Wenn Eltern nach einer Ablehnung oder Aufhebung der Kindergeldfestsetzung durch die Familienkasse nicht fristgerecht Einspruch einlegen wir der Kindergeldbescheid bestandskräftig. Doch auch ein bestandskräftiger Kindergeldbescheid kann unter bestimmten Voraussetzungen nachtäglich noch zu Gunsten der Eltern geändert werden.
Nachträgliche Änderung bei verspätetem Bekanntwerden neuer Tatsachen möglich
Wenn die Familienkasse eine Kindergeldfestsetzung aufgehoben oder abgelehnt hat, müssen die betroffenen Eltern innerhalb eines Monats Einspruch einlegen. Andernfalls wird der Aufhebungs- bzw. Ablehnungsbescheid bestandskräftig. Ein bestandskräftiger Kindergeldbescheid kann gemäß § 173 AO aber nachträglich noch geändert werden, wenn für die Kindergeldfestsetzung maßgebliche Tatsachen oder Beweismittel erst später bekanntwerden. Dies kann z.B. der Fall sein, wenn die Eltern der Familienkasse nachträglich Nachweise über eine vor dem 25. Lebensjahr begonnene Berufsausbildung oder eine eingetretene Behinderung ihres volljährigen Kindes vorlegen.
Keine nachträgliche Änderung bei groben Verschulden
Eine nachträgliche Änderung des Kindergeldbescheids zu Gunsten der Eltern setzt allerdings voraus, dass diese kein grobes Verschulden daran trifft, dass die für Änderung relevanten Tatsachen erst nachträglich bekannt geworden sind. Wenn also die Eltern, während die Frist für einen Einspruch noch lief, schon von der begonnenen Berufsausbildung oder der eingetretenen Behinderung des Kindes wussten und ihnen bekannt war, dass diese Fakten für volljährige Kinder einen verlängerten Anspruch auf Kindergeld begründen, darf ein bestandskräftige Kindergeldbescheid nicht mehr nachträglich geändert werden.
Wann liegt ein grobes Verschulden vor?
In einem Rechtsstreit, der kürzlich vor dem Finanzgericht Münster (FG München, Urteil vom 10. März 2015, Az. 7 K 48/13) verhandelt wurde, musste sich das Gericht mit der Frage befassen, ob sich die Klägerin ein grobes Verschulden vorwerfen lassen muss und damit eine nachträgliche Änderung des Kindergeldbescheids ausgeschlossen wäre. In dem hier verhandelten Verfahren hatte die Familienkasse zunächst wegen fehlender Nachweise über eine Ausbildung der volljährigen Tochter die Kindergeldfestsetzung aufgehoben und von der Klägerin, einer schwerbehinderten und tauben Mutter, die Rückzahlung des bereits erhaltenes Kindergeldes in Höhe von 5.078 Euro verlangt. Zu einem späteren Zeitpunkt wurde der Familienkasse von der Klägerin erstmals ein Schwerbehindertenausweis für die Tochter vorgelegt.
Die Familienkasse weigert sich jedoch den bestandskräftigen Kindergeldbescheid nachträglich zu ändern mit der Begründung, dass die Klägerin ein grobes Verschulden an der Nichtgeltendmachung der Schwerbehinderteneigenschaft treffe. Das Finanzgericht Münster war nicht dieser Meinung und gab der Klage statt. Nach Auffassung des Gerichts müsse bei der Frage, ob ein grobes Verschulden vorliegt oder nicht, immer die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten berücksichtigt werden. Deshalb kamen die Richter zu dem Schluss, dass im vorliegenden Fall kein grobes Verschulden vorliegt, da der schwerbehinderten und tauben Klägerin, die im Umgang mit Behörden überfordert ist und im Steuerrecht unkundig ist, die bloße Nichtbeachtung der von der Familienkasse ausgehändigten Merkblätter nicht zum Vorwurf gemacht werden kann.
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