Kindergeld bei mehraktiger Ausbildung
Nach Erreichen der Volljährigkeit kann sich der Anspruch auf Kindergeld unter bestimmten Voraussetzungen bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres verlängern. Ob auch weiterhin ein Anspruch auf Kindergeld besteht, hängt auch davon ab, ob bereits eine Erstausbildung oder ein Erststudium erfolgreich abgeschlossen wurde. Der Bundesfinanzhof hat jetzt entschieden (BFH, Urteil vom 15. April 2015, Az. V R 27/14, veröffentlicht am 29. Juli 2015), dass mehraktige Ausbildungsmaßnahmen Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung sein können mit der Folge, dass eine zwischenzeitliche Vollerwerbstätigkeit dem Anspruch auf Kindergeld dann nicht entgegensteht.
Streitfrage: Erstausbildung oder Folgeausbildung?
Eltern können auch für Kinder über 18 Jahre weiterhin Kindergeld erhalten, wenn sich das Kind noch in einer Ausbildung befindet oder auf einen Ausbildungsplatz wartet. Im Jahr 2012 hat der Gesetzgeber, die Rechtslage allerdings dahin gehend geändert, dass der Anspruch auf Kindergeld gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG entfällt, wenn das Kind nach erfolgreich abgeschlossener Erstausbildung oder Erststudium regelmäßig mehr als 20 Stunden pro Woche arbeitet. In dem vor dem Bundesfinanzhof verhandelten Verfahren stritten die Parteien nun darüber, ob die vom Sohn des Klägers durchgeführte Ausbildungsmaßnahme noch als Teil der Erstausbildung oder bereits als eine eigenständige Folgeausbildung einzustufen ist.
Geklagt hatte ein Vater, dessen Sohn im Februar 2012 seine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik abgeschlossen hatte. Noch im gleichen Monat bewarb sich der Sohn des Klägers für einen Platz an einer Fachoberschule für Technik mit dem Fernziel der Ausbildung zum Elektrotechniker oder Elektroingenieur. Zeitgleich unterschrieb der Sohn des Klägers auch einen auf zwei Jahre befristeten Arbeitsvertrag. Infolgedessen arbeitete er im Zeitraum von März bis Juli 2012 Vollzeit in seinem erlernten Beruf. Der Sohn des Klägers beendete das eigentlich auf zwei Jahre befristete Arbeitsverhältnis vorzeitig, als er eine Zusage der Fachoberschule für Technik erhielt. Ab August 2012 nahm er an einem einjährigen Vollzeitunterricht an der Fachoberschule für Technik teil, der als Vorbereitung für das Studium an einer Fachhochschule diente.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2012 wurde die Kindergeldfestsetzung von der Familienkasse für den Zeitraum von März bis Juli 2012 aufgehoben. Begründet wurde dies damit, dass nach der erfolgreich abgeschlossenen Berufsausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik im Februar 2012 in den Folgemonaten die Grenze von 20 Arbeitsstunden pro Woche überschritten worden sei.
Ausbildungsmaßnahme als Bestandteil einer einheitlichen Berufsausbildung
Da Finanzgericht Münster (FG Münster, Urteil vom 4. März 2014, Az. 1 K 1772/13 Kg) teilte die Rechtsauffassung der Familienkasse und wies zunächst die Klage als unbegründet zurück. Der Bundesfinanzhof war jedoch anderer Meinung und hob das Urteil der Vorinstanz wieder auf. Der Bundesfinanzhof entschied, dass im vorliegenden Fall, der Anspruch auf Kindergeld auch im Zeitraum von März bis Juli 2012 fortbestand, da die Erstausbildung des Sohnes noch nicht abgeschlossen war. Folglich war die Zahl der wöchentlichen Arbeitsstunden unerheblich. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass mehraktige Ausbildungsmaßnahmen als Bestandteil einer einheitlichen Erstausbildung einzustufen sind, wenn Ausbildungsmaßnahmen zeitlich und inhaltlich so aufeinander abgestimmt sind, dass die Ausbildung nach Erreichen des ersten Abschlusses weitergeführt werden soll und das angestrebte Berufsziel nur über den weiterführenden Abschluss erreichbar ist.
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