Kalte Progression
Als kalte Progression wird die Steuermehrbelastung bezeichnet, die dann eintritt, sobald Lohnsteigerungen lediglich zu einem Inflationsausgleich führen und analog dazu die Einkommensteuersätze nicht an die Preissteigerungsrate angepasst werden. Durch den progressiven Einkommensteuertarif wird für jeden über dem Grundfreibetrag verdienten Euro ein höherer Einkommenssteuersatz (Grenzsteuersatz) erhoben – somit sinkt das Realeinkommen. Es ist dabei zu beachten, dass die nach einem normierten Warenkorb ermittelte Preissteigerungsrate nicht für alle Einkommensgruppen gleich ist, da niedrige Einkommen Lebenswichtiges und hohe Einkommen verstärkt Luxusgüter konsumieren.
Beispiel für kalte Progression
Ein Arbeitnehmer bekommt 4000,- Euro Bruttolohn im Monat und erhält eine Lohnerhöhung von 2 Prozent. Von der Erhöhung die 80,- Euro beträgt bleibt nach Abzug aller Abgaben nur 41,- Euro übrig, denn bedingt durch das etwas angehobene Bruttogehalt (4080,- Euro) rutscht der Arbeitnehmer in eine höhere Steuerstufe und zahlt somit 20,- Euro mehr an Lohnsteuer. Somit ist die Steuer um 2,3 % gestiegen und der Lohn um 2,0 %. Wenn nun noch die Inflation von fiktiven zwei Prozent mit einkalkuliert wird, hat der Arbeitnehmer nichts von der Lohnerhöhung übrig.
Möglichkeiten zur Beseitigung
Durch eine regelmäßige Anpassung des Einkommensteuertarifs an die Kaufkraftentwicklung kann die kalte Progression, die eine versteckte Steuererhöhung bewirkt, vermieden werden. Um eine unentwegte Diskussion einer Anpassung zu vermeiden, wurde bereits ein automatischer Anpassungsmechanismus vorgeschlagen. Das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung schlug eine Kopplung an die Preissteigerung oder die Wachstumsrate des Volkseinkommens vor. Das Bundesfinanzministerium sieht hierbei jedoch die Gefahr der Inflationsförderung.
Das Problem der kalten Progression könnte auch mit der Abschaffung der Steuerprogression gelöst werden, zum Beispiel mit der Einführung eines Einheitssteuersatzes oder einer Pauschalsteuer, jeweils ohne Grundfreibetrag. Dagegen wird eingewendet, dass eine Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit durch die Einheitssteuer nicht ausreicht und bedingt durch die Pauschalsteuer nicht möglich sei, daher wird diese als sozial ungerecht kritisiert. Die Regierung der britischen Premierministerin Margaret Thatcher hat bereits zum Ende der 80er Jahre in Großbritannien die Kopfsteuer community charge (besser bekannt als poll tax) eingeführt. Woraufhin sich 18 Millionen Briten weigerten, diese Steuer zu bezahlen, was zu gewalttätigen Protesten führte. Schlussendlich war die community charge verantwortlich für die Krise und den Rücktritt der Regierung Thatcher. Sie wurde 1993 durch die Gemeindesteuer (council tax) ersetzt.
Entwicklung in Deutschland
Von 1975 bis 1989 hatten sich die Einkünfte in Deutschland verdoppelt, dabei blieb der Eckwert von 130.020,- DM (66.480,- Euro), bei dem der Spitzensteuersatz von 56 % zu wirken begann, gleich. Dies führte dazu, dass immer mehr Steuerpflichtige in einen höheren Steuersatz „hineinwuchsen“. Ab 1990 konnte diese Situation durch Änderung der Tarifverläufe etwas gemildert werden.
Unter der Regierung Schröder/Fischer wurden von 1999 bis 2005 die Einkommensteuersätze stark gesenkt. Die Regierung Merkel/Steinmeier behielt diese Steuersätze bis 2008 für zu versteuernde Jahreseinkommen unter 250.000,- Euro bei. Für die Jahre 2009 und 2010 wurde der Tarifverlauf so verändert, dass damit der kalten Progression leicht entgegengewirkt werden konnte. Dies wurde mit einer Senkung des Eingangssteuersatzes auf 14 % und einer leichten Erhöhung des Grundfreibetrages auf 8.004,- Euro und der oberen Eckwerte auf 52.881,- Euro bzw. 250.730,- Euro (Tarif 2010) erreicht. Eine automatische Anpassung an die Inflationsrate gibt es bisher nicht.
Nach der Bundestagswahl 2009 forderte die FDP in den Koalitionsverhandlungen die Einführung eines Stufentarifs, wie er zum Beispiel in Österreich angewandt wird. Aber auch der Stufentarif könnte das Problem der kalten Progression nur zum Teil und auch nur für bestimmte Einkommensbereiche lösen. So wäre die Erhöhung des Steuersatzes im Modell der FDP bei einem zu versteuernden Einkommen zwischen 20.000,- Euro und 25.000,- Euro steiler als in einem ähnlichen linearen Tarif.
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